- Ibo
- ỊboI 〈m. 6 oder m.; -, -〉 Angehöriger eines Eingeborenenvolkes in NigeriaII 〈n.; -; unz.〉 dessen Sprache
* * *
Ibo,Ịgbo, bedeutendstes Volk von Ostnigeria, etwa 20 Mio. Angehörige, v. a. östlich des unteren Niger. Ihre Abneigung gegen eine zentralistische Führung und gegen straffe Formen der Organisation spiegelt sich in ihrer künstlerischen Tradition wider, die keinen einheitlichen Stil, aber mannigfaltige Unterstile, die wenig Gemeinsames haben, hervorgebracht hat. An figürlicher Plastik werden neben Schutzfiguren für das Haus v. a. Ahnenfiguren hergestellt. Bei den nördlichen Ibo sind sie als naturalistische Rundplastiken mit relativ weichen Linien, zum Teil lebendigen Haltungen und sprechenden Gesichtern konzipiert. Die Figuren der südlichen Ibo zeigen dagegen einen sehr strengen, abstrahierenden Aufbau. Die meist sehr subtil gestalteten Masken für den Mmwo-Geheimbund verkörpern den Geist eines verstorbenen schönen Mädchens; die Gesichter dieser Masken sind immer weiß bemalt, mit schwarzen Akzenten auf Schmucknarben und Augenbrauen; der Kopfputz ist meist sehr fein geschnitzt, mit hohen, durchbrochen gearbeiteten Aufbauten. Im Gebiet um Owerri im Süden fertigte man aus Terrakotta Kulthäuser (Mbari): Altäre für verschiedene Gottheiten mit leuchtend bemalten sakralen und profanen Figuren unter einem schützenden Dach. In alter Zeit kannten die Ibo auch den Gelbguss, wie die Funde aus Igbo-Ukwu zeigen.Die Ibo wurden früh Christen; Teile des Neuen Testaments wurden schon 1860 in ihre Sprache übersetzt. Gute Schulbildung ermöglichte es ihnen, bereits in den 1930er-Jahren als Beamte, Händler, Handwerker und Techniker in ganz Nigeria zu arbeiten. Heute gehören viele Ibo der intellektuellen Führungsschicht Nigerias an.Die Sprache der Ibo, das Igbo (auch Ibo oder Igboid genannt) gehört zu den Benue-Kongo-Sprachen und gliedert sich in eine große Anzahl von Dialekten. Bis heute existiert kein allgemein anerkanntes Standard-Igbo. Im Igbo werden zahlreiche lexikalische und grammatikalische Differenzierungen durch Tonkontraste wiedergegeben. Alle Verben lauten mit einem Konsonanten, fast alle Nomina mit einem Vokal oder einem silbischen Nasal an. Die meisten Dialekte besitzen ein (auf Vokalharmonie beruhendes) System von acht Vokalen. Die Erforschung und Verschriftung des Igbo setzte im 19. Jahrhundert ein; es ist eine der wichtigsten Nationalsprachen Nigerias mit einer reichhaltigen oralen und schriftlichen Literatur (Preisgedichte, Lieder, Romane, Dramen).Vor der britischen Kolonialherrschaft lebten die Ibo als Ackerbauern in kleinen, demokratisch verfassten politische Einheiten. Nach dem Ersten Weltkrieg widersetzten sie sich zum Teil dem britischen Versuch, Häuptlinge (Warrant Chiefs) einzusetzen. - Parteipolitisches Engagement konzentrierten die Ibo nach 1944 auf die erste nigerianische Antikolonialbewegung, den »National Council of Nigeria and the Cameroons« (NCNC) unter N. Azikiwe. Der NCNC stieg in der Folgezeit zur Führungspartei in der von den Ibo dominierten Ostregion auf. Beim ersten Militärputsch Nigerias im Januar 1966 übernahm mit General A. Ironsi ein Ibo die Macht; er wurde am 29. 7. 1966 bei einem zweiten Putsch von Offizieren anderer Volkszugehörigkeit getötet, worauf v. a. in Nordnigeria Pogrome gegen Ibo einsetzten. Viele Ibo flohen in die Ostregion, die sich am 30. 5. 1967 unter Oberst C. O. Ojukwu als Republik Biafra für unabhängig erklärte. Im folgenden Bürgerkrieg kämpften v. a. Ibo für diesen Staat. Sie wurden jedoch nach ihrer Niederlage gleichberechtigt in den Staat reintegriert.A. H. M. Kirk-Greene: Crisis and conflict in Nigeria, 2 Bde. (ebd. 1971);C. O. Glauke: Die Integration der I. nach dem Bürgerkrieg in Nigeria (1995).
Universal-Lexikon. 2012.